Über das Muttersein

Wir haben gestern die Plazenta unserer Jüngsten vergraben. Nach beinahe 5 Lebensjahren wurde es Zeit. Natürlich lag das Ding nicht die ganze Zeit hier rum, sondern schön verpackt und tief gefroren in unserer Kühltruhe.

Und mir wurde mal wieder bewusst: Muttersein ist so krass. Und es widerspricht jeglicher Verwertungs- und Ausbeutungslogik unserer Gesellschaft.

Als werdende Mutter gibst du, mehr oder weniger bewusst, deinen Körper her für ein fremdes Leben. Du leihst deinen Körper einem „Schmarotzer“, der sich durch dich ernährt. Und das endet nicht mit der Geburt, nein, noch nicht einmal mit dem Stillen! Als Mutter bestehen mindestens 18 Jahre deines Lebens (bei einem Kind, und vermutlich auch nur, wenn alles glatt läuft) darin, das Leben eines anderen Menschen zu hüten, zu begrenzen und vor allem: zu sehen. Natürlich mag das in verschiedenen Lebensphasen wechseln, je nach Alter ist dann auch mehr und mehr Loslassen gefordert, aber nichtdestotrotz lebt man als Mutter in einer stetigen Energieteilung. Deine Energie, deine Aufmerksamkeit ist immer ein Stück weit auch von dir weg.

Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: die Nabelschnur ist zwar abgeschnitten, das innere Band bleibt jedoch, hm, vielleicht lebenslänglich?

Spätestens als Mutter lernt man, auf sich aufzupassen, das eigene Leben zu schützen, für sich selbst zu sorgen. Wenn schon nicht um des eigenen Lebens, dann zumindest um der Kinder willen.

Und man lernt, für andere zu sorgen. Für andere da zu sein, zuzuhören, zu trösten und zu schlichten. Man lernt, dass all das Zeit braucht! Zeit, die einem niemand bezahlt, Zeit, die einfach da ist, und die eben nicht effizient genutzt werden kann, nach irgeneinem Plan, nach lösungsorientierten Strategien.

Nichts in unserer gewinn- und leistungsorientierten Gesellschaft bereitet uns auf dieses Sorgeleben vor. In einer Gesellschaft, die auf schnelle Profite und maximale Ausbeute, eigentlich auf ständiges Nehmen fokussiert ist, besteht das Erfordernis des Mutterseins darin, vor allem zu geben. Nachhaltig zu denken und nachhaltig zu handeln. Da ich meinen Körper für dieses Leben noch brauche, muss ich lernen sorgsam mit ihm umzugehen, meine eigene Energie zu hüten und bei mir zu behalten.

Was gar nicht so leicht ist, angesichts von Kindern, die eigentlich ständig etwas nehmen können. Man lernt, dass die eigene Energie nicht unbegrenzt ist, dass auch man selbst als Mutter Ressourcen hat, die manchmal erschöpft sind. Man lernt, sich abzugrenzen. Oder eben über die eigenen Grenzen zu gehen, aus Liebe zu diesem anderen Wesen.

Vielleicht können wir hier etwas lernen für unseren Umgang mit unser aller Mutter, der Erde. Auch sie ist ein Körper, der geschützt werden muss. Auch sie kann nicht unbegrenzt geben.

Die Kogi, ein Naturvolk an der kolumbianischen Karibikküste, pflegen seit Urzeiten den Brauch, der Erde für erhaltene Gaben stets etwas zurückzugeben.

Vermutlich ist es nicht unser Weg, der Erde für jedes Gemüse das wir essen ein Stück Gold zu geben, es geht vielmehr um die Geste. Wenn man ehrt, was man von der Erde erhält, vielleicht dankbar ist für das, was einem vom Leben zuteil wird, dann ändert sich auch das eigene Verhältnis zur Natur.

Vielleicht hört dann dieses ewige Jagen auf, diese Gier, mit der der Mensch alles ausschlachtet, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

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