Gorillas im Zoo oder: der fremde Blick als Spiegel

Neulich war ich in der Wilhelma. Am Gorillagehege blieb ich ziemlich lange stehen. Es war heiß, die Gorillas hielten gerade Siesta. Im ganzen Gehege lagen oder saßen sie verteilt, mit schläfrigem Blick, kratzten sich ab und zu irgendwo, und schauten träge in die Luft. Wenn einer mal aufstand, dann tat er das mit trägen, gleichzeitig elastischen und vollkommenen Bewegungen, einer raufte sich seine Holzwolle zusammen, legte sie sich neben einen Freund und die beiden kuschelten sich Arm in Arm auf ihre Wolle. Die glotzenden Zoobesucher vor der Fensterscheibe schienen sie nicht zu beunruhigen.

Ab und zu streifte ein Blick zu uns, die wir da staunend an der Scheibe klebten. Die meisten Menschen hielten ihre Handys in die Luft und versuchten ein Foto zu machen.

Ab und zu blieb ein Blick auf unserer Masse ruhen. Diese Menschen, was ist das nur für eine Spezies? Sanft, gelassen, fast schon mitleidig ruhten diese dunklen Augen auf uns Menschen. Beim Blick in diese Augen, so schien es mir, erhaschte ich einen Blick ins Universum. Weisheit, Güte, Liebe strahlte aus ihnen.

Und ich begann, die Menschen aus ihrer Blickrichtung zu betrachten.

Jeden Tag rauschen Tausende von Menschen an ihnen vorbei, die Affen scheint das kaum zu kümmern. Sie gehen ihrem täglichen Leben nach: Fressen, schlafen, spielen.

Wie anders sind wir doch als diese Tiere! Wir rennen hetzend von einer Sensation zur ander’n, knipsen alles, was uns vor die Handykamera kommt, um es irgendwo zu posten und dann nie wieder anzuschauen. Wie Süchtige laufen wir unseren Vorstellungen hinterher, von einem besseren Leben, von einem besseren Moment, vom besseren Urlaub… und stehen dabei vor dem Kollaps unserer eigenen Lebensgrundlage.

Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir irgendwo im Lauf der Evolution falsch abgebogen sind. Oder dass wir zumindest irgendetwas Grundlegendes vergessen haben. Nur was?

Vielleicht, dass wir eigentlich sehr klein sind? Dass wir uns Gesetzen unsterzuordenen haben, die wir nicht beeinflussen können? Dass wir eben nicht schalten und walten können wie wir wollen, sondern eine Heimat haben, auf die wir aufpassen müssen?!

Diese Tiere haben Demut. Sie leben voll im Jetzt, statt in irgendwelchen Vorstellungen von größer oder weiter, von morgen oder gestern. Sie leben mit dem was ist, und schätzen das, was ist, auf irgendeine unbewusste Art.

Wir, die wir uns diesen Tieren so weit überlegen fühlen, haben es mit unserer Jagd nach mehr Wohlstand, mehr Anerkennung, permanenter Optimierung geschafft, die Erde, unser Zuhause, an den Rand des Kollaps zu bringen.

Der Erde ist das egal.

Die Erde, das Leben an sich, werden ihr Gleichgewicht wieder finden. Die Frage ist nur, ob die Spezies Mensch dazugehört, oder ob wir uns mit unserer ewigen Sucht nach höher und besser und weiter aus unserer Heimat selber rausschmeißen.

Vielleicht, vielleicht können wir ja in Sachen Demut und Leben noch etwas von unseren tierischen Verwandten lernen.

Ein Kommentar

  1. Interessant wäre ja, wie wir nicht nur die Erde erhalten, sondern ihr etwas Aufbauendes hinzufügen können?
    Gibt es vielleicht eine Art seelischen Dünger, der der Natur hilft zu heilen?
    Staunen, schöne menschliche Erlebnisse in der Natur (mit lieben Mrnschen wandern z.B.) und vieles mehr.
    Ich bin sicher, dass wir durch unseren Umgang miteinander viel bewirken können, 1 und 1 sind eigentlich 3.

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