Ein eigener Raum

Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das mir sehr am Herzen liegt. Den eigenen Raum.

Als Mutter ist man in der Situation, dass man ständig von außen bestimmt wird. Ein Großteil der mütterlichen Arbeit zielt darauf ab, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Das ist aufwendig, erfordert Zeit, Energie und Ressourcen.

Viele Mütter (oder Väter) machen diese Arbeit gern.

Aber entgegen der scheinbar gesellschaftlich vorherrschenden Meinung, dass Mütter selbst nichts brauchen, sondern aus einer schier unendlichen Masse von Ressourcen und Energie schöpfen, immer ausgeglichen sind und geben können ohne Ende, brauchen GERADE diejenigen, die die Bedürfnisse ihrer Kinder auf dem Schirm haben, die Termine der Kinder, der Schule und im Kindergarten koordinieren sollen, die sozusagen mit ihrer Arbeit das Fundament der Zukunft unserer Gesellschaft legen, Rückhalt. Sie brauchen Pausen, Luft, Zeit zum Denken, wie jeder andere Mench auch.

Virginia Woolf beschreibt 1929 in ihrem Essay A Room of One`s Own die Notwendigkeit eines eigenen Raums gerade auch für Frauen, eine Notwendigkeit, die allseits anerkannt ist, aber scheinbar für Frauen nicht so notwendig ist wie für Männer. Eine Frau, bei Woolf eine schreibende Frau, braucht: ein eigenes Zimmer und einen vollen Bauch.

Ich meine: auch Mütter brauchen einen eigenen Raum. Ich sorge gern für das Wohl meiner Kinder, habe ein Ohr für alle, bin da, trage gern den Mental Load, aber ich brauche eben Platz dafür. Ich brauche einen Ort, an dem ich denken kann. Leere, Denkpausen, Entspannungs- und Nichts-tu-Pausen. Um dann wieder all das zu tun und auf dem Schirm zu haben, was ich eben auf dem Schirm habe. Um für die Familie da sein zu können. Und diese Nichts-tu-Pausen kann ich nicht füllen mit Erwerbsarbeit und noch mehr Leistung – was eigentlich erforderlich wäre, um uns finanziell über Wasser zu halten und eine einigermaßen ausreichend große Wohnung zu finanzieren.

Ich bin der Meinung, dass es ein Recht auf einen eigenen Raum geben sollte. Ein eigenes Zimmer für jeden. Dass es ein Grundrecht auf die MÖGLICHKEIT zum eigenen Denken geben sollte. Natürlich haben wir alle das Recht dazu, frei zu denken, aber es reicht eben nicht, zu sagen: Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, sondern es muss auch den Raum geben, eine eigenen Meinung überhaupt zu finden! Jeder sollte in die Lage versetzt werden, zumindest wenn er oder sie es möchte, ein eigenes Denken zu entwickeln. Und das, selber denken, erfordert nun mal die Möglichkeit zum Rückzug. Eine Möglichkeit, die bei steigenden Mieten, steigenden Preisen und somit vermehrten Arbeitsdruck sowohl für Mütter als auch für Väter, schwindet.

Das Ergebnis ist steigens Stresslevel bei den Eltern – was sich natürlich auf die Kinder überträgt.

Schade, dass unser System so wenig Wert auf Investitionen in eine lebenswerte Zukunft legt.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert