Mütter: Das kostenlose Kapital einer Gesellschaft

„Und, was machst du so?“ Diese Frage, so beiläufig sie klingen mag, macht mich manchmal rasend. „Ich bin Mutter.“ – „Nee, ich meine, beruflich? Was arbeitest du?“

Geht’s noch? Was ich arbeite? Im Ernst?

Also wenn ich das jetzt mal alles aufzählen würde, dann hört bestimmt keiner mehr zu. Aber ich mach’s trotzdem, denn anscheinend wissen viele Menschen immer noch nicht, dass Mütterarbeit (oder Väterarbeit, je nachdem, wer eben den Großteil der Heimarbeit wuppt) echte Arbeit ist.

Meine Tage beginnen meist ziemlich wild. Ich stehe ein Ticken zu spät auf, muss dann meine beiden Jungs aus dem Bett kitzeln, die mir das mit Sätzen wie: „Mama, du nervst sowas von! Geh endlich weg!“ danken. Damit es schneller geht, und sie nicht unendlich viel zu spät in die Schule kommen, versuche ich, sie möglichst friedlich anzutreiben, erinnere sie an die Socken, die sie noch nicht anhaben, den Pulli, der noch fehlt, halte sie mehr oder weniger erfolgreich vom Spielen ab (dazu ist jetzt keine Zeit, das könnt ihr später machen), und bin froh, wenn sie halbwegs pünktlich aus dem Haus kommen. Puh. Jetzt erstmal Kaffee.

Meine Jüngste wacht meist etwas später auf, worum ich ganz froh bin, denn dann muss ich mich „nur“ mit den beiden Jungs mit dem Willen von jungen Stieren abrackern.

Frühstück ist dann zu zweit, Anziehen, zum Kindi bringen und schwupp, ab in meinen eigenen Alltag. Puh. Meist brauche ich nach der morgendlichen Routine einen Moment, bis ich wieder weiß, wer ich eigentlich bin.

Im Leben als Zuhausemensch einer Familie ist eigentlich immer was zu tun. Haushalt, Wäsche, Essen machen usw. Hinzu kommen noch diverse Elternabende, Kommunikationsarbeit mit Schulen und Kindergärten und anderen Eltern. Feste werden geplant: Schulfeiern, Kindergartenfeste, schöne Sachen an sich, die aber natürlich von den Eltern mit organisiert werden und durch „kulinarische Spenden“ gestützt. Organisieren und planen tun sowas meist: die Mütter. Einkaufen, Besorgungen tätigen wie jahreszeitlich angemessene Kleidung, Schuhe, Geburtstagsgeschenke für die eigenen Kinder oder deren Freunde – das kostet Zeit, Energie und Kopfarbeit. Innerfamiliäre Geburtstage wollen geplant sein, sowie umgesetzt, wonach wir Eltern dann abends meist nur noch aufs Sofa plumpsen mit der Hoffnung, dass es bis zum nächsten Geburtstag noch laaaange hin ist.

Auch die Familienurlaube wollen geplant sein, die Wochenenden, die Fahrten von und zu den Sportereignissen am Wochenende stehen an, und dabei muss man irgendwie versuchen, den Überblick zu behalten, welches Kind wann wo ist, und dabei die Bedürfnisse jedes Einzelnen nicht aus dem Auge zu verlieren. Termine müssen vereinbart werden, bei Therapeuten, Ärzten und potenziellen Hobbies, all das innerhalb der Familie koordiniert, dabei sollte man die Körperhygiene der Kinder nicht aus dem Auge verlieren und ihnen beibringen, diese irgendwann möglichst selbständig zu meistern. Meistens fällt dann irgendeinem Kind abends um 8 noch ein, dass es noch was für die Schule zu erledigen gibt. Auch das muss betreut werden, denn keins meiner Kinder setzt sich alleine hin um seine Hausaufgaben zu erledigen.

Ja, die Aufgaben einer Mutter sind unendlich. Es hört nie auf. Und wenn man als Mutter krank wird, dann muss man trotzdem irgendwie weitermachen, sonst stapelt sich alles, was unerledigt bleibt, ins Unermessliche – und die Kinder wollen ja trotzdem versorgt sein.

Meist schaffe ich am Tag auch eine kleine oder größere Waldrunde.

Nur ich, nur für mich.

Glücklicherweise habe ich meine ein bis zwei Univeranstaltungen die Woche, das ist dann wie Urlaub. Endlich mal nur eine einzige Sache auf einmal. Fokus.

Mittags hole ich zuerst die Kleine heim, dann kommen die beiden Jungs. So weit, so gut. Wenn alle gesund sind, läuft unser Alltag. Wenn alle mitmachen. Und meistens machen nicht alle einfach mit, was ja auch gut ist, denn meine Kinder sind Lebewesen und keine Roboter. Dann gilt es, da zu sein, zu trösten, zuzuhören, welcher wilde Kerl gerade wieder geärgert hat, welche Freundin heute nicht hat mitspielen lassen: was die Kinder eben gerade belastet, welche Sorgen sie umtreiben. Diese müssen in manchen Fällen dann an die Schule rückgemeldet werden, wenn es sich um handgreifliche oder verletzende Streitereien handelt. Oft ist die Zeit mit den Kindern auch einfach: Da sein, sehen.  Wer ist dieser kleine Mensch, den mir das Leben da geschenkt hat?

Klar, bei all dem muss man Abstriche machen, damit man nicht verrückt wird. Es ist niemals perfekt, vieles fällt hinten runter. Und ja: ich habe mich selbst freiwillig dazu entschieden, Mutter zu sein. Aber das heißt nicht, dass wir als Familie nicht auch Geld brauchen, von irgendwas leben müssen. In einer Welt, in der ein Gehalt eben nicht mehr reicht um den Bedarf einer Familie zu decken. Und das heißt nicht, dass ich all diese anfallenden Arbeiten „einfach so, stillschweigend und nebenher, eigentlich möglichst unsichtbar“ mache und dabei auch noch „echte Arbeit“ leisten kann.

Ich versuche meinen Kindern beizubringen, wie sie selbst für sich einstehen können. Wie sie lernen können, zu sich selbst zu stehen, anstatt sich von den Vorstellungen anderer Menschen abhängig zu machen. Das ist Arbeit! Ich schaffe sozusagen einen Raum, in dem meine Kinder sich wohlfühlen. Einen Platz, ein Nest. Das ist Arbeit, braucht Zeit. Zeit, in der ich eben nicht der Wirtschaft als Arbeitskraft zur Verfügung stehe, beziehungsweise umgekehrt auch kein Geld nachhause bringe.

Es ist in meinen Augen aber auch die nachhaltigste Arbeit, die ich kenne. Schließlich trage ich meinen Teil dazu bei, gesunde und seelisch stabile Kinder großzuziehen, die dann Teil einer hoffentlich halbwegs gesunden Gesellschaft von morgen sein werden. Und es ist eine sehr schöne, vielfältige Arbeit! Stellen Sie sich vor, ein Job, der so viele Arbeitsfelder kombiniert – Familienmanagement, Familienplanung, Nahrungsbeschaffung, Köchin, Putzkraft, Kommunikation nach außen (Kindergarten, Schule), Streitschlichterin, und manchmal gibt’s auch einfach Zeit zum Spielen, selber Kind sein. Damit verknüpft hat man das Privileg, kleine Menschen in ihrer Entwicklung begleiten zu dürfen. Langweilig wird’s da garantiert nie.

Also zurück zur eingängigen Frage nach meinem Lebensinhalt, nach dem Etwas, was mich in den Augen meines Gesprächspartners identifizieren und irgendwie in der Gesellschaft verortbar machen soll, der Frage nach meiner „Arbeit“: Ich bin Mutter. Das ist Arbeit.

Nur leider scheint das in der Politik und in der Gesellschaft noch nicht so ganz angekommen zu sein. Fragt man mich, was eine gesunde, stabile, meinetwegen resiliente Gesellschaft ausmacht, so antworte ich: gesunde, stabile Individuen.

Würden wir als Gesellschaft wirklich etwas für Resilienz, für eigenständige, sowohl körperlich als auch seelisch gesunde Individuen tun wollen, dann müssten wir in den Familien anfangen. Dann müssten wir als Gesellschaft diejenigen entlasten, die die Kinder großziehen, die die Gesellschaft von morgen prägen und formen, mit allen Werten, die in dieser Gesellschaft mal zählen werden. Dann müsste endlich (!!!) Heimarbeit, Erziehungsarbeit, Care-Arbeit oder wie man diesen Wust an Aufgaben nennen möchte, durch Bezahlung entlohnt und anerkannt werden. Das wäre wahre Gleichstellung. Mütter hätten kein schlechtes Gewissen, dem (Ehe-)Partner finanziell „auf der Tasche zu liegen“ – tragen sie doch ihren Teil zum gelingenden Familienleben bei. Es würde lästige Streitgespräche über das emotionale Pulverfass Finanzen im Keim ersticken.

Vielleicht würden dann nicht so viele Familien daran zerbrechen, dass die Erwachsenen mit Geldverdienen am Limit sind, und keine Zeit haben, sich um ihre Beziehungen zu kümmern. Es hätte, oh Wunder, gesunde Kinder zur Folge, oder zumindest mehr gesunde Kinder, weil die Eltern nicht so im Stress sind. Denn der Stress der Eltern überträgt sich bekanntlich auf die Kinder.

Wir Eltern wären dann frei, unsere Zeit den Kindern zu schenken, wenn wir das wollen. Und die Kinder würden die Krankenkassen der zukünftigen Gesellschaft nicht so viele Therapiestunden kosten, in denen ihnen endlich mal jemand zuhört.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert