Über das, was wir Gesundheit nennen

Vor zwei Wochen kam sie: die Grippe raffte mich, nicht dahin, aber doch in die Horizontale. Ich fühlte mich schlecht, bekam Fieber, und zwar so schnell, dass mir davon schlecht wurde, ich fühlte mich wirklich: nicht zum leben. Nun, zwei Wochen später, ist es besser, aber bei weitem noch nicht wie vorher. Immer wieder im Verlauf der letzten zwei Wochen kam mir in den Sinn, wie verschwenderisch wir mit unserer Energie umgehen, wenn wir gesund sind, ja, wie selbstverständlich es uns scheint, dass wir gesund sind, und mit welcher Vehemenz wir uns üblicherweise beschweren, wenn mal was nicht so läuft, wie wir es gern hätten. Und so nervig und unpassend sie sind: Krankheiten sind eigentlich genau das, was wir in unserem Leistungs- und Funktionswahn manchmal brauchen. Denn endlich mal funktioniert etwas nicht einfach: nämlich wir selbst, unser Körper.

Ich versuche daraus die Lehre zu ziehen, dass es ganz schön viel wert und eben überhaupt nicht selbstverständlich ist, wenn ich gesund bin und mein Körper „einfach mitmacht“. Dass Gesundheit ein Geschenk, ja, vielleicht etwas ist, was eben nicht Normalzustand und quasi wie von selbst da ist.

Immer wenn ich krank bin, versuche ich auf alle erdenkliche Weise alles zu tun, um den Zustand von vorher nur wieder her zu stellen. Als ob es irgeneine Strippe geben könnte, an der ich nur zu ziehen brauchte, und schwupp, funktioniert mein Körper wieder einwandfrei.

Ich weiß, ich habe in diesem Text ganz schön oft das Wort „funtionieren“ verwendet. Und ich weiß inzwischen, dass mein Körper kein Automat ist, der einfach funktioniert. Aber ich habe dennoch den Eindruck, dass nicht nur in meinem Kopf Gesundheit, Schmerzfreiheit und der „Alles-ist-gut-Zustand“ als Normalzustand gesehen werden, der schon wieder eintritt, wenn ich nur alles richtig mache. Nach dem Motto: Wenn ich nur alles alles richtig mache, werde ich nicht krank. Oder ganz schnell wieder gesund. Und als sei das der normale Zustand, den ich beim Leben auch irgendwie einfordern könnte.

Ein Bekannter hat neulich sinngemäß gesagt: Es ist ja nicht so, dass es einen Idealzustand gibt, in dem der Mensch immer sein kann. Sondern es ist ja immer ein Auf und Ab.

Da ist was dran. Vielleicht geht es eben nicht darum, diesen eigentlich starren – und somit allem Lebendigen widersprechenden – Zustand von „alles ist gut, ich bin gesund, alles läuft super“ dauerhaft zu halten. Vielleicht ist unser Leben viel mehr sowas wie ein Garten, in dem verschiedene Pflanzen wachsen, und der eben gegossen, gedüngt, gejätet werden muss, eben je nachdem was gerade dran ist. Und je nachdem, welche Pflanze in uns gerade mehr Pflege bedarf, reagiert man dann eben darauf. Das bedeutet auch, wenn man krank ist, eben einfach krank zu sein, und dem Körper das zu geben, was er eben gerade braucht – egal wie lange es dauert und egal ob es uns gerade passt oder nicht.

Und es bedeutet, uns in dem Zuhause zu machen, was gerade ist, sei es Gesundheit oder Krankheit, Stärke oder Schwäche, Nacht oder Tag.

Wir lernen damit, unsere natürlichen Grenzen anzuerkennen und uns dem, was stärker ist als unsere Vorstellung, zu beugen. Der Natur, dem Leben.

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