Von der Seele

Immer wieder wollte ich gern was über die Seele schreiben. Dabei ist es ein so weites Feld, und so wenig greifbar, und…

Aber es gibt Philosophen der Antike, die dazu spannende Dinge sagen! Und nach meinem Eindruck leben wir in einer Zeit, in der die Seele unbedingt mehr Thema sein sollte, aber eben nicht als etwas, das man wiederum zerpflücken, untersuchen und bis auf den Grund erklären sollte, sondern als Triebfeder eines jeden Menschen in seinem Leben. Als Fluss, der uns allen inne wohnt, der uns Kraft gibt, da ist, immer, und Impulse hat, denen zu folgen uns, und zwar im tiefsten Innern, hm, vielleicht: zufrieden werden lässt. Als Gefühl, als Teil vielleicht eines über- oder unterirdischen Ganzen, eines Ganzen, das allem innewohnt und das manche Gott nennen.

Die Seele ist das, was den Körper lebendig macht, sagt Platon. Sie strebt nach dem Göttlichen (der Erkenntnis), ist jedoch – hier wird’s ein bisschen körperfeindlich – im Körper gefangen, wird durch unsere Lust oder Unlust an den Körper „genagelt“, strebt jedoch eigentlich nach dem Göttlichen, nach Erkenntnis. Laut einem antiken Mythos irren die Seelen, wenn sie es im Leben nicht schaffen, sich von ihren Lüsten zu lösen, nach dem Tod als Sklaven ihrer Bedürfnisse durch die Gegend.

Das klingt natürlich erstmal ein bisschen arg. Schließlich stehen wir inzwischen woanders: unser Körper ist fest verknüpft mit der Seele und das ist auch gut so, denn unsere Lust macht ja, dass wir uns lebendig fühlen, macht das Leben lebenswert. Man könnte hier vielleicht trennen zwischen „Lust“ und „Bedürfnis“. Bedürfnisse sind Impulse der Seele, sie führen uns durch die Welt und halten uns lebendig. Sorgen dafür, dass wir essen, wenn wir hungrig sind, schlafen wenn wir müde sind, und so weiter. Wir Menschen sind aber auch Lustwesen. Und brauchen unsere Vernunft (in der Antike die höchste der seelischen Tugenden), um unsere Lust zu leiten, damit sie uns nicht irre führt. Man könnte das mit den Lüsten bei Platon also auch so verstehen, dass wir unseren Bedürfnissen in vernünftigem Maß ruhig nachgehen sollen, da sie uns (und somit die Seele) am Leben erhalten. Jedoch sollte man sich eben nicht – und das ist nun meine eigene Formulierung – an äußeren Leitbildern oder an Bewertungen, an übermäßigem Konsum festhalten, um durch sie mehr zu werden, größer, schneller oder sonstwas.

Aristoteles plädierte dafür, die Vernunft in der Jugend so auszubilden, dass Menschen lernen, aus dem Moment heraus zu handeln. Und zwar ergibt sich das Gutsein einer Handlung nach Aristoteles für jeden Menschen individuell aus der eigenen Lebenssituation und Prägung heraus. Dieses gute Handeln sollte jeder Mensch mit „den Weisen“, also im Leben geübten und in der Vernunft ausgebildeten Menschen, üben und durch Gewöhnung selbst ausbilden.

Blicken wir auf das Bildungskonzept in unserem Land, sind wir weit weg vom Aristotelischen Ideal. Wenn ich an mich denke, dann habe ich vor allem eins gelernt: hinein zu passen in den Rahmen, und das möglichst perfekt. Das eigene Leben an mir selbst, an der eigenen Seele, dem eigenen Willen, Handeln und Sein auszurichten, soweit es im Rahmen meines Lebens eben möglich ist, lerne ich als Erwachsene. Mich nicht so sehr nach äußeren Idealen von Leistung, Körperbildern, oder wie etwas zu sein hat, auszurichten, sondern mir selbst zu überlegen, wie ich eigentlich sein möchte und was ich will, was mir wichtig ist.

In einer Kultur, die sich so sehr über äußere Bezeichnungen, über Leistung, Besitz und Arbeit definiert, finde ich es eigentlich ganz gut, sich Gedanken über die Seele zu machen.

Unser Leben ist endlich. Aber statt dieser Tatsache ins Auge zu sehen und damit umzugehen, wird der Tod bei uns ausgeklammert, es wird konsumiert was das Zeug hält und, manchmal scheint mir diese Sichtweise treffend, wir klammern uns an Dinge, die uns einen Wert geben sollen, die uns definieren, weil es scheinbar nicht ausreicht, einfach wir selbst zu sein. Einfach Ich zu sein.

Betrachten wir uns aber als Wesen, die einen gewissen Zeitraum in Körpern in der Materie leben, dann verlieren diese Definitionen ihren Wert. Dann ist eben nicht mehr der maximale Reichtum oder das größte Haus oder die größte Leistung oder der perfekteste Körper entscheidend. Dann erscheint es wichtiger, die Seele zu erhalten, die Energie zu erhalten, die unserem Körper innewohnt. Manchmal kommt es mir vor als wäre das eine Art tieferer Sinn unseres Lebens: Seele zu bleiben, in dieser hektischen Welt. Sich nicht zu verlieren, bei sich zu bleiben. Und das zu leben, was eben das ureigenste ist: die eigene Art, das eigene Sein. Dabei scheint es dann nicht mehr so wichtig, was ich tue, sondern wie ich es tue. Die Dinge zu meinen zu machen, indem ich sie eben nicht perfekt mache, sondern auf meine Weise. Und das „Wie“ kann Ausdruck der ganz eigenen individuellen Prägung jedes Menschen sein.

Wenn man es schafft, diese Rückbezüglichkeit auf das Selbst zu leben, den eigenen Impulsen zu folgen (natürlich in den Grenzen des Möglichen), die Dinge zu tun, weil und wie sie einem selbst richtig entscheiden, ohne Erlaubnis, Lob oder Anerkennung von außen, dann wird man frei. Dann kann man auch den anderen Menschen ihren eigenen Hauch zutrauen, ihre eigene Art, das eigene Sein. Dann kann im Zwischenmenschlichen etwas einziehen, Platz, Raum, weil wir uns gegenseitig lassen können. Lassen können in Respekt und Wohlwollen. Meiner Ansicht nach ist es dieser Platz, dieser Raum, den die Seele braucht, in dem sie sich entfalten kann, sein kann.

Denn jede Seele hat ihren eigenen Weg, ihre eigenen Hürden und vor allem: ihr eigenes Tempo. Wenn man das schafft: das eigene Tempo zu leben, dann wird es ein Leben von innen heraus, ein eigenes, freies und unabhängiges Leben. Ein Leben nach dem inneren Klang.

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